Arbeitsrecht vor Weihnachtsmarkt!

Rede, die aufgrund der Repression gegen die Demo gegen das Demoverbot nicht gehalten werden konnte:

Während wir heute hier für unsere Grundrechte und gegen vieles, was auf dieser Welt schief läuft, auf der Strasse sind, krampfen hunderte Detailhandelsangestellte an einem eigentlich freien Tag.

Auf Wunsch der Gewerbeverbände wurde dieser Sonntag dazu auserkoren die Läden offen zu halten. Die Gewerbetreibende versprechen sich davon natürlich mehr Umsätze und Profit. Sie eint dabei, dass sie wenig übrig haben für ihre Angestellten, aber ganz viel für ihre Gewinne. Schon während der Corona-Pandemie sind die Umsätze der grossen Detailhändler wie Coop und Migros durch die Decke gegangen. Im Zuge der aktuellen Inflation setzten sie die Preise sukzessive herauf. Das geht von Luxusgütern bis hin zu Dingen des täglichen Bedarfs und notwendigen Lebensmittel. Die Umsätze und Gewinne der marktbeherrschenden Unternehmen haben enorme Ausmasse angenommen. So haben beispielsweise  Coop und Migros, die sich notabene beide einen genossenschaftlichen Anstrich geben, letztes Jahre beide je knapp eine halbe Milliarde Franken Gewinn eingestrichen. Es läuft für die Riesen, die in den Gewerbe- und Detailhandelsverbänden den Takt vorgeben. Die grossen Konzerne kämpfen im Verbund mit den rechtsbürgerlichen Parteien wie GLP, FDP u.a. für weitere Liberalisierungen von Öffnungszeiten. Die rechtsextreme SVP ist dabei natürlich mit im Boot. Einzig die sozialdemokratische Partei, die Grünen und die CVP/Mitte wehren sich meistens dagegen. Im Kanton Bern können die Geschäfte schon heute von Montag bis Freitag jeweils von 06:00 bis 20:00 Uhr offen haben – hinzu kommt noch ein wöchentlicher Abendverkauf bis 22 Uhr. Angestellte des Detailhandels müssen sich beinahe den ganzen Tag frei halten, um für ihre Firma arbeiten zu gehen. Gefordert wird eine immer grössere „Flexibilität“, Arbeit auf Abruf häuft sich und Schichtpläne wechseln immer wieder. All das verkompliziert die Planung des Privatlebens und durch die geforderte „Flexibilität“ besteht längst nicht immer eine Garantie dafür, am Ende des Monats auch wirklich auf das ausgemachte Stundensoll zu kommen. Weil die grossen Player der Branche die Öffnungszeiten meist vollumfänglich ausnutzen, sind kleinere Geschäfte mehr oder weniger dazu gezwungen mitzumachen. Dies bedeutet für Kleinstunternehmen mit wenigen Angestellten längere und intensivere Tage für die Belegschaft. Insbesondere in der Weihnachtszeit, wo der Konsumrausch keine Grenzen mehr kennt, buckeln sich die Angestellten fast kaputt.

Verkürzte oder weniger bis keine Pausen, lange Schichten und wenige Ruhetage wegen zusätzlichen Arbeitstagen sind die Regel. In Bern wurde nun entschieden zumindest den Abendverkauf auf 21 Uhr zu begrenzen. „Good News“ sollte mensch denken! Doch diese Begrenzung hat ihren Preis! Die Geschäfte dürfen während einer Probephase bis 2025 am Samstag bis 18 Uhr geöffnet bleiben. Diese Probephase von zwei Jahren ist für die Arbeiter*innen im Detailhandel eine Farce. Sie verlieren wieder planbare Freizeit. Die Ladenöffnungszeiten können nicht gleichgesetzt werden mit Arbeitsbeginn und Arbeitsende. Denn bis die Arbeiter*innen den Laden schliesslich verlassen und ihren Feierabend geniessen können, kann es auch mal bis zu einer Stunde dauern. Der richtige Schlag ins Gesicht ist aber, dass die meisten Angestellten diese Information aus der Zeitung und nicht von ihren Arbeitgeber*innen erfahren haben. Es zeigt die geringe Wertschätzung, mit welcher die Angestellten zu kämpfen haben. Dass die Arbeiter*innen und Arbeiter bei der Neugestaltung der Öffnungszeiten natürlich nicht mitreden konnten, versteht sich von selbst.

Die miserablen Arbeitsbedingungen und immer stärker geforderte Flexibilitär treffen dabei auf das unglaublich veraltete aber immer noch geltende Credo, wonach „Der Kunde König sei“. So werden die Angestellten im Detailhandel häufig mit schlechten Launen, arrogantem und frechen Verhalten ihrer Kundschaft konfrontiert. Insbesondere Männer nehmen sich gerne extra Frechheiten heraus. Von anzüglichen Sprüchen bis Stalking, alles wurde und wird erlebt. Im Zuge des guten Service erwarten viele Arbeitgeber*innen, dass ihr Personal solch inakzeptables Verhalten mit einem Lächeln und einem freundlichen Danke schlucken soll.  

Dank den riesigen Profiten, welche der Detailhandel seit Jahren erzielt, könnte mensch denken, dass immerhin die Löhne stimmen sollten. Aber so einig sich die Detailhänlder*innen im Thema mit den Öffnungszeiten u.a. sind und sich dazu in irgendwelchen Verbänden zusammenschliessen, so uneinig sind sie sich, wenn es um Gesamtarbeitsverträge geht. Am liebsten hätten alle keine, das ist klar. Coop hat einen mit der Unia, Migros eine mit sich selber und bei Gewerkschaftsbesuch klingeln jeweils die Alarmglocken. Die anderen Detailhändler*innen haben keine Gesamtarbeitsverträge und somit auch keine Mindestlöhne. Aldi & Lidl werben mit relativ hohen Löhnen, vergeben aber wenig 100% Pensen – dafür aber gerne viel Gratisarbeit. Die anderen in der Branche sind zu klein, bzw. wehren sich mit Haut und Haar gegen einen Gesamtarbeitsvertrag.  Im Kanton Bern gibt es einen Normalarbeitsvertrag, welcher seit 2012 keine Anpassungen mehr erfahren hat. Entsprechend altmodisch sind dann auch die Bestimmungen; 4 Wochen Ferien, 41 Stundenwoche und Lohnempfehlungen aus der Hölle.

So sollen zum Beispiel mit dreijähriger Lehre ab dem 25. Alterjahr 3’955 .- bezahlt werden. Traurigerweise zahlen viel Detailhändler*innen nicht mal diese tiefen empfohlenen Mindestlöhne. Wo keine Gesamtarbeitsverträge – da auch keine kollektiven Lohnverhandlungen, was in der Mehrheit der Fälle ganz einfach heisst: Keine Lohnerhöhungen! Ein nicht endendes Trauerspiel. Es ist darum wichtig, dass sich die Angestellten im Detailhandel organisieren und gemeinsam für ihre Rechte einstehen.

Auch die grossen Modeketten geizen gerne mit Löhnen. Wir sprechen hier über die multnationalen Konzerne, welche ihre Produkte zu sklavenähnlichen Bedingungen im globalen Süden produzieren lassen. Sie wollen damit im globalen Norden die Kosten möglichst tief halten. Dass zurzeit in Bangladesch tausende von Arbeiter*innen für eine Erhöhung der Mindestlöhne kämpfen, wird in den hiesigen Medien gerne verschwiegen. Mehrere Gewerkschaften und Verbände fordern eine Anhebung des Mindestlohns auf 25 000 BDT (ca. 215€ / 235US$). Das klingt vielleicht nicht nach viel. Aber wenn man bedenkt, dass der derzeitige Mindestlohn für die Beschäftigten in der Bekleidungsindustrie des Landes bei umgerechnet mageren 69 Euro liegt, wäre eine Erhöhung um mehr als 200 Prozent ein echter Meilenstein für die vier Millionen Beschäftigten in dieser Branche. Der Staat und die Firmen, darunter Players wie H&M, Zara uvm. bekämpfen die Streiks mit massiver Repression. 

Diese Arbeiter*innen gilt es in unseren Kämpfen nicht zu vergessen. Denn der Kampf für ein Arbeiten und Leben in Würde ist keine Sache von Nationen. Führen wir unsere Kämpfe international und solidarisch. Organiseren wir uns selber und kämpfen solidarisch und gemeinsam fūr unsere Rechte. Für eine Welt ohne Chefs und Ausbeutung. Für eine Welt in der wir uns nach unseren Fähigkeiten & Bedürfnissen organisieren und handeln.

Kampf dem Kapitalismus! 

https://www.belex.sites.be.ch/app/de/texts_of_law/222.153.23