Arîn Mîrkan

Arîn Mîrkan (gebürtiger Name Dilar Gencxemîs) stammte aus dem Kanton Afrîn im Norden Syriens. Seit 2007 war sie innerhalb der kurdischen Befreiungsbewegung aktiv und verbrachte später auch eine Weile bei der Guerilla. Mit dem Ausbruch der Revolution in Rojava kehrte Arîn Mîrkan zurück an ihren Geburtsort und schloss sich den Selbstverteidigungskräften YPG und nach deren Gründung den Frauenverteidigunseinheiten YPJ an, wo sie auch Kommandantin wurde. Im Kampf um Kobane opferte sie ihr Leben, in dem sie mit einem Sprengsatz rund 20 Terroristen des sogenannten IS mit in den Tod riss. Sie wurde damit zu einer Symbolfigur für die Befreiung Kobanes und für die Frauenrevolution von Rojava.


Arîn Mîrkan: Symbol des Widerstands von Kobanê

Artikel von ANF vom 6. Oktober 2019

Am 5. Oktober jährte sich der Tod von Arîn Mîrkan zum fünften Mal. Die YPJ-Kommandantin wurde im Kampf um Kobanê zum Symbol des Durchhaltewillens kurdischer Frauen, die im Widerstand gegen den IS Unglaubliches leisteten.

Als der sogenannte „Islamische Staat“ (IS) 2013 sein Aktionsfeld über den Irak auch nach Syrien ausdehnte und binnen kürzester Zeit weite Teile Rojavas unter seine Kontrolle brachte, begannen auch die Versuche, den Kanton Kobanê einzunehmen. Ein Jahr lang scheiterte die Terrormiliz immer wieder am Widerstand der Volk- und Frauenverteidigungseinheiten YPG und YPJ. Diese Entwicklung bewegte die türkische Regierung dazu, ihre Bündnispartner im Kampf gegen die Revolution von Rojava neu zu wählen. Agierte Ankara zunächst noch vor allem mit dem syrischen Al-Qaida-Ableger al-Nusra und weiteren Dschihadistengruppen, die sich unter dem Dach der „Freien Syrischen Armee“ (FSA) organisierten, galt nun der IS als wichtigster Partner der Türkei im Norden Syriens.

Als erstes gemeinsames Angriffsziel der neuen Bündnispartner wurde Kobanê ausgewählt. Beide Seiten vereinte bereits damals die gemeinsame Absicht, die Rojava-Revolution zu vernichten. Aus diesem Grund sollte als erster Schritt zunächst das strategisch liegende Kobanê erobert werden, um eine Vereinigung der Kantone zu verhindern und somit die Revolution zu ersticken. Zuletzt spielte aber auch die Symbolik eine Rolle: Die Rojava-Revolution sollte an dem Punkt erstickt werden, an dem sie ihren Anfang nahm. Denn in Kobanê war am 19. Juli 2012 die demokratische Autonomie ausgerufen worden. Durch eine friedliche Revolution konnte die Kontrolle über die Stadt gewonnen und die Verwaltung an die Bevölkerung übertragen werden.

Was dem IS in Kobanê fehlte: Durchhaltewillen

Die große Offensive auf Kobanê startete schließlich im Juni 2014 – an drei Fronten. Bis Mitte September überrannten die Dschihadisten vor den Augen der internationalen Gemeinschaft mit Panzern und Humvees, die von der irakischen Armee erbeutet worden waren, schweren Waffen mit einer Reichweite von 30 Kilometern und unerschöpflichen Reserven an Truppen-Nachschub, rund 60 Dörfer in Kobanê. Am 28. September begann die Miliz mit einem Großangriff auf das Stadtgebiet. Zwei Tage später stand der IS schon knapp zwei Kilometer vor der Stadtgrenze. Die Verteidiger*innen Kobanês hielten an ihrem Widerstand fest, waren waffentechnisch jedoch mit ihren Kalaschnikows und Maschinengewehren unterlegen. Bis zum 1. Oktober brachte der IS weitere 300 Dörfer unter seine Kontrolle. Unzählige Menschen waren bereits Opfer bestialischer Massaker geworden, viele Tausende geflohen, riesige Flächen der Stadt niedergebrannt. Gleichzeitig nahm die Heftigkeit der Angriffe auf die Stadt zu, denn die Luftschläge der internationalen Koalition waren nicht effektiv. Eins aber fehlte den Angreifern: Der eiserne Durchhaltewillen der Verteidiger*innen und der Bevölkerung Kobanês, der die Stadt zum Inbegriff für den Krieg gegen die schwarze Pest machte.

Kurdische Frauen haben noch nicht ihr letztes Wort gesprochen

Dieser Wille hielt die Welt in Atem und insbesondere das Engagement der an vorderster Front kämpfenden Frauen erfuhr weltweite Würdigung und Beachtung, weil es so einzigartig war, dass sich tausende Frauen aktiv an der Verteidigung ihrer Heimat beteiligten. So wurden Kobanê und insbesondere seine Kämpferinnen rund um den Globus zum Symbol für das Ringen zwischen Gut und Böse. Eine dieser Frauen, die später als Quelle des Widerstands gegen den Fanatismus in die Geschichte eingehen sollte, war Arîn Mîrkan. Sie wurde zu einer Ikone im Kampf um den Miştenur – einem strategisch wichtigen Hügel, der ganz Kobanê überblickt. Dieser Hügel wurde seit Ende September 2014 mit schweren Waffen und Panzern angegriffen und bombardiert. Zwischen den vorrückenden Terroristen und den YPG/YPJ-Kämpfer*innen kam es zu schweren Gefechten. Nach mehrtägigem Widerstand fiel der Tepê Miştenur am 5. Oktober 2014 in die Hand des IS. Arîn Mirkan, eine junge YPJ-Kommandantin, verspürte demgegenüber großen Zorn. Sie erklärte, den Hügel nicht einfach dem IS zu überlassen und entschied sich für einen Angriff, mit dem sie sich inmitten der IS-Söldner in die Luft sprengen wollte. Ihre letzten Worte an ihre Kampfgefährtinnen waren: „Die kurdischen Frauen im Kobanê-Widerstand haben noch nicht ihr letztes Wort gesprochen. Wir haben keine Angst vor diesen Banden und werden bis zum Ende kämpfen. Wir ziehen es vor, uns selbst zu opfern, statt in die Hände der Banden zu gelangen.“ Als sie ihre Gruppe in Sicherheit wusste, bereitete sie ihre Aktion vor, schaffte es bis in die Reihen der Terroristen, gelangte bis zu einem Versammlungspunkt und sprengte sich dort in die Luft. Der IS erlitt dadurch hohe Verluste am Miştenur. Die Terroristen schafften es danach zwar bis in die Stadtmitte von Kobanê, gerieten aber vor der Entschlossenheit der YPG/YPJ-Einheiten in Panik. Sie erkannten, dass sich Kobanê langsam, aber sicher für sie zur Hölle verwandelte. Nach insgesamt 134 Tagen, in denen die Stadt mit all ihrer Existenz einen historischen Widerstand leistete, wurde Kobanê am 26. Januar 2015 befreit.


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